Der Hunger der Kainiten

Wer große Ziele verfolgt, muss auch große Verluste erleiden.


Marcus Licinius Crassus, Plutarchs parallele Leben

 

 


Alle Kainiten lechzen nach dem Blut der Lebenden, und dieser Hunger bestimmt ihre gesamte unheilige Existenz.
Die Forderungen des Hungers nehmen kein Ende, der Appetit ist unstillbar, und so werden selbst die frömmsten und edelsten Kainiten zu Mördern. Aus den Geisteskranken werden Monster.

Alle Kainiten streben letztlich danach, ihre unsterbliche Existenz aufrecht zu erhalten, auch wenn sie sie, unheilig wie sie ist, verfluchten mögen. Alle Vampire fürchten sich vor dem endgültigen Tod, und so nähren sie sich um zu überleben.
Ob Vampire nun ihre Opfer in einer Blutorgie zur Ader lassen oder geziert an ihnen nippen,
während sie Hof halten – todbringend sind sie letztlich immer.

Die ersten von ihnen verursachten Todesfälle mögen Vampire noch aufregen und betrüben, aber die Zeit härtet ab, und bald nehmen sie ihre Existenz hin, wie sie eben ist, ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden.
Zu trinken ist der ultimative Rausch für Kainiten, der sich mit sexuellen Freuden messen und sie letztlich in den Schatten stellen kann.
Ein Akt, der sowohl körperlich als auch spirituell ist. Einen kurzen Moment lang werden Vampir und Opfer eins. Im Blut schwindet die Welt, bis der Kainit nichts mehr wahrnimmt als den Körper seines Opfers, der kraftlos und schwer wird, während ihm das Blut entweicht.
Der Vampir raubt wortwörtlich des Opfers Lebenskraft, indem er sein Blut trinkt.

Manche vergleichen den Laut, den das sterbende Herz eines Opfers von sich gibt, mit dem Gesang von Sirenen, der den Kainiten immer tiefer in Bann zieht. Nur in diesem Zustand kennt der Kainit Ruhe vor den tierhaften Gelüsten.
Kainitsche Mystiker behaupten, nach Jahrhunderten, manchmal Jahrtausenden des Unlebens stellten die Ahnen fest, das menschliches Blut sie nicht länger nährt und sie stattdessen das Blut von ihresgleichen brauchen.
Der Legende nach zeugten die Vorsintfluchtlichen die Clans ihrer Nachkommen, um für ihren uralten Appetit einen ständig zur Verfügung stehenden Blutvorrat zu besitzen. Die Jüngeren versichert einander, dies sei eine von den Ahnen erfundene Geschichte, um sie, die Jungen, in Schach zu halten- aber nur die Uralten wissen, wie es wirklich ist.

Der Hunger ist nichts Abstraktes.
Er stellt die Quintessenz des Fluches dar, mit dem alle Kainiten belegt sind, er ist der Fluch selbst in seiner reinsten, unverfälschten Form.
Dieser Hunger besudelt und pervertiert alle Vampire, um sie dann letztlich zu vernichten: nicht nur, weil er sie dazu bringt zu morden, um das eigene unsterbliche Leben zu erhalten, sondern noch mehr durch die Art, wie er jeden Kainiten ganz und gar beherrscht.
Der Hunger vergiftet jedes Gefühl, jeden Gedanken; er zieht den Kainiten langsam, aber sicher immer weiter in die Verdammnis.
Kainiten nennen diesen Hunger und seine ungezügelten Instinkte auch „das Tier“.

(Quelle: Vampire aus der Alten Welt)



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