Alle Kainiten lechzen nach dem Blut der Lebenden, und dieser
Hunger bestimmt ihre gesamte unheilige Existenz. Die
Forderungen des Hungers nehmen kein Ende, der Appetit ist
unstillbar, und so werden selbst die frömmsten und edelsten
Kainiten zu Mördern. Aus den Geisteskranken werden Monster.
Alle Kainiten streben letztlich danach, ihre unsterbliche
Existenz aufrecht zu erhalten, auch wenn sie sie, unheilig wie
sie ist, verfluchten mögen. Alle Vampire fürchten sich vor dem
endgültigen Tod, und so nähren sie sich um zu überleben. Ob Vampire nun
ihre Opfer in einer Blutorgie zur Ader lassen oder geziert an
ihnen nippen, während sie Hof halten – todbringend sind sie
letztlich immer.
Die ersten von ihnen verursachten Todesfälle
mögen Vampire noch aufregen und betrüben, aber die Zeit härtet
ab, und bald nehmen sie ihre Existenz hin, wie sie eben ist,
ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden.
Zu trinken ist der ultimative Rausch für Kainiten, der sich
mit sexuellen Freuden messen und sie letztlich in den Schatten
stellen kann. Ein Akt, der sowohl körperlich als auch
spirituell ist. Einen kurzen Moment lang werden Vampir und
Opfer eins.
Im Blut schwindet die Welt, bis der Kainit nichts
mehr wahrnimmt als den Körper seines Opfers, der kraftlos und
schwer wird, während ihm das Blut entweicht. Der Vampir raubt
wortwörtlich des Opfers Lebenskraft, indem er sein Blut
trinkt.
Manche vergleichen den Laut, den das sterbende Herz
eines Opfers von sich gibt, mit dem Gesang von Sirenen, der
den Kainiten immer tiefer in Bann zieht. Nur in diesem Zustand
kennt der Kainit Ruhe vor den tierhaften Gelüsten.
Kainitsche Mystiker behaupten, nach Jahrhunderten, manchmal
Jahrtausenden des Unlebens stellten die Ahnen fest, das
menschliches Blut sie nicht länger nährt und sie stattdessen
das Blut von ihresgleichen brauchen. Der Legende nach zeugten
die Vorsintfluchtlichen die Clans ihrer Nachkommen, um für
ihren uralten Appetit einen ständig zur Verfügung stehenden
Blutvorrat zu besitzen.
Die Jüngeren versichert einander, dies
sei eine von den Ahnen erfundene Geschichte, um sie, die
Jungen, in Schach zu halten- aber nur die Uralten wissen, wie
es wirklich ist.
Der Hunger ist nichts Abstraktes. Er stellt die Quintessenz
des Fluches dar, mit dem alle Kainiten belegt sind, er ist der
Fluch selbst in seiner reinsten, unverfälschten Form. Dieser
Hunger besudelt und pervertiert alle Vampire, um sie dann
letztlich zu vernichten: nicht nur, weil er sie dazu bringt zu
morden, um das eigene unsterbliche Leben zu erhalten, sondern
noch mehr durch die Art, wie er jeden Kainiten ganz und gar
beherrscht. Der Hunger vergiftet jedes Gefühl, jeden Gedanken;
er zieht den Kainiten langsam, aber sicher immer weiter in die
Verdammnis. Kainiten nennen diesen Hunger und seine
ungezügelten Instinkte auch „das Tier“.
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